Dieser Satz ist mir schon so oft zu Ohren gekommen, dass ich kotzen könnte, wenn ich ihn nur ansatzweise höre.

Warum viele Außenstehende denken, dass wir Behinderte unbedingt Mitleid brauchen, weiß ich nicht. Muss ich das wissen? Ich glaube nicht. Ich versteh‘ es ja auch nicht.

Behinderte sind ja auch nur Menschen. Keine Außerirdischen. Und nein, wir müssen nicht beweint werden. Selbst wenn es uns beschissen geht – euch „Normalen“ geht’s doch manchmal auch nicht anders. Wir bemitleiden euch auch nicht. Das wollt ihr auch nicht? Das braucht ihr nicht? Dann sind wir uns ja einig. Denn wir brauchen auch kein Mitleid.

Es gibt aber auch Behinderte, die Mitleid brauchen, um sich gut zu fühlen. Auf Facebook gibt es so einige Seiten, wo mir mein Mittagessen vor lauter „Ich-brauch-Mitleid-um-jeden-Preis“-Gehabe wieder „Hallo!“ sagt. Ich kann sowas gar nicht ab.
Denn ich habe – wie bekannt ist – auch ein Handicap und kann offen darüber sprechen und bloggen – ohne mir Mitleid abholen zu müssen, um bestätigt zu bekommen, wie schlecht es mir doch gehen muss und wie gut ich mit meinem „Schicksal“ umgehe. Nein – dass brauch‘ und will ich nicht. Vorher würde ich mir eher die Kugel geben, weil ich dann weiß, dass ich sehr tief gesunken bin.

Auch wenn mich einige jetzt vielleicht als etwas radikal einstufen, es ist doch so. Wir kämpfen nicht mit unserem Handicap. Wir sind nicht trotz unseres Handicaps lebensfroh. Wir meistern es nicht. Wir sind auch nicht an den Rollstuhl gefesselt. Wir leiden nicht.

Wir leben. Wir leben mit unserem Handicap. Denn es gehört zu uns, wie ein Körperteil. Und das ist auch gut so.

Punkt.

Wheelie

17 Gedanken zu “„Oh, guck‘ mal, das arme Mädchen sitzt im Rollstuhl!“

  1. Hm.Wenn es mir (ohne wirklich essentielles Handicap aber mit der einen oder anderen Einschränkung) mal schlecht geht, kann ich MitGEFÜHL, eigentlich ganz gut brauchen. Sich mal auszuheulen, kann auch mal ganz befreiend sein.Ob man das öffentlich machen muss, darüber kann man streiten, aber in gewissem Rahmen kann auch auch das hilfreich sein.
    MitLEID, besonders oberflächliches, braucht man in der Tat nicht. Aber ich denke, nicht immer ist es für den Adressaten klar zu unterscheiden, ob der Betreffende Mitleid heuchelt oder eben nur einfach ziemlich unbeholfen sein Mitgefühl, seine ernst gemeinte Empathie zum Ausdruck bringen will, woran ich zunächst mal nichts schlechtes finden kann, abgesehen davon, dass man es eben auch besser zum Ausdruck bringen kann. Das muss man aber eben auch gelernt haben, oder man hat es natürlicherweise drauf, was aber nicht jedem gegeben ist.
    Kurz: Wenn es mit schlecht geht, und ich das zum Ausdruck bringe, habe ich im Gegenzug nichts gegen mir entgegen gebrachte Empathie einzuwenden, solange sich das nicht als oberflächlich geheucheltes Mitleid darstellt. Wenn das dann auch noch mit konkreter nützlicher Unterstützung verbunden ist, umso besser.

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  2. Hallo Wheelie, seit ich meine Tochter (5) habe, komme ich häufiger in Situationen, wo ich von ihr wegen optisch erkennbarer Verletzungen / Behinderungen oder Auffälligkeiten gelöchert werde. Mama, warum ist die Frau blind? Warum sitzt der Mann im Rollstuhl? Warum hat die Frau nur ein Bein? Warum redet der Mann so komisch?
    Ich sage dann meist: Ich weiß es nicht. Vielleicht hatte der / die einen Unfall. Oder er / sie ist schon so geboren. Wenn du mehr wissen willst, können wir hingehen und fragen.
    Ist das aus deiner Sicht eine gute Reaktion? Würdest du von mir und meiner Tochter angesprochen werden wollen? Ich tue mich sehr schwer damit, weil ich einerseits die Privatsphäre wichtig fnde. Ich würde ja auch nicht zu jemand dickem hingehen und meine Tochter fragen lassen: Warum bist du dick? (by the way: ich bins selbst und würde daher so eine Frage spontan nicht beantworten können oder wollen)
    Ich möchte, dass das Kind möglichst offen und tolerant ist und Unterschiede erkennt, wahrnimmt, aber nicht be- oder verurteilt. Allerdings möchte ich auch die Betroffenen nicht bloßstellen oder zu einer Reaktion drängen / zwingen. Hast du hier einen Rat oder Tipp für mich?
    Viele Grüße,
    Pokermoni

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    1. Ein Tipp von mir wäre, wie du bereits vorgeschlagen hattest, deine Tochter einfach zur Person zu schicken. Die meisten reagieren bei Kindern sehr offen – auch ich. Denn sowas ist wichtig für die soziale Entwicklung, da das Kind lernt, dass eine Behinderung nichts Schlimmes ist. Nur trauen sich auch viele Eltern nicht, ihr Kind zu Betroffenen zu schicken, damit es seine Fragen stellen kann. Aber es lohnt sich, wenn man es tut. 🙂

      Ich hoffe, dass ich dir weiterhelfen konnte.

      Liebe Grüße,
      Wheelie

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      1. Ich habe auch eine Behinderung, sie ist für andere nicht sichtbar, aber ich habe sie. Alle gehen normal mit mir um und das ist das was man auch möchte, so wie du. ❤️

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  3. Dein Blog gefällt mir ich folge dir.

    Ich glaube ich spreche im Namen aller Menschen mit Handicap oder auch anderen Hintergründe was wir wollen ist kein Mitleid sondern wir wollen Akzeptanz.

    Oder wie seht ihr das?

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  4. Ich kenne das zu gut. Wenn ich bemitleidet werde, dann fühle ich mich automatisch herabgestuft. Einfach, weil jemand mich für das, was ich dauerhaft bin, bemitleidet. Er bemitleidet also mein Leben, aber das ist aus meiner Sicht gar nicht bemitleidenswert. Im Gegenteil. Außerdem weiß ich immer gar nicht, wie ich auf Mitleid reagieren soll. Oft kommt es in so Situationen, in denen ich es gar nicht erwarte und dadurch werde ich dann heruntergezogen. Ich habe zu dem Thema auch mal einen Beitrag verfasst, vielleicht magst du dir den ja durchlesen: https://moteens.wordpress.com/2016/06/24/mitleid/

    Liebe Grüße,
    moteens

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  5. Nervig ist es auch wenn man zum Körperlichen Handicap auch noch unterstellt bekommt man hätte null bis fast garnix an Hirn (Intelligenz). Echt ätzend wenn mit einem nur über seine Begleitung/ Freund/Familienmitglied gesprochen wird. Du sprichst einem aus der Seele.

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